Meinung

Kiewer General: Alle Ukrainer müssen im Krieg kämpfen, niemand kann ihn aussitzen

Ukrainische Bürger sollen einsehen, dass niemand von ihnen dem Kriegsdienst entgehen kann, denn der Armee des Landes fehlt Personal. Dies gibt der Befehlshaber der ukrainischen Landstreitkräfte zum Besten und "russischer Propaganda" die Schuld an dem Mangel an Rekruten.
Kiewer General: Alle Ukrainer müssen im Krieg kämpfen, niemand kann ihn aussitzen© Radio Liberty/Donbass Realii

Von Joe Bessemer

Alle Hilfe aus dem Westen nützt dem ukrainischen Militär nichts, solange niemand die Kampffahrzeuge und Waffen bedient. Gerade der Mangel an Personal bedeute große Probleme. Hierüber beschwert sich General Alexander Pawljuk, der Befehlshaber der ukrainischen Landstreitkräfte:

"Ganz gleich wieviel Hilfe wir erhalten, wieviele Waffen wir auch haben: Uns fehlt es an Leuten! Fahrzeuge fahren nicht von selbst, Waffen schießen nicht von allein, eine Drohne fliegt nicht von selbst los. Einheiten müssen wiederaufgestockt werden."

Besagter Personalmangel sei durch den Vertrauensverlust unter den Menschen gegenüber dem Militär entstanden, stellt Pawljuk völlig zurecht fest. Er fragt:

"Wie konnte die Gesellschaft es zulassen, dass man begann, sich vor Militärangehörigen zu fürchten, sie zu beleidigen?"

Logisch: Wird Vertrauen durch sein Gegenteil verdrängt, bricht nicht nur der Freiwilligenzulauf ein, sondern auch die im Rahmen der Mobilmachung zum Kriegsdienst Einzuziehenden werden sich dem Einzug widersetzen. So weit, so richtig. Doch beim Beantworten obiger Frage macht es sich der brave General dann doch etwas zu leicht. Viele Leser dürften auch schon erraten haben, wohin die Reise geht:

"Während die Streitkräfte der Ukraine heldenhaft kämpfen und den Besatzer an der gesamten Frontlinie aufhalten, versucht Russland, unser Hinterland, unsere rückwärtigen Dienste zu destabilisieren: Zwietracht und Feindschaft zu säen, Panik und Misstrauen zur Armee. Der Feind wendet hierfür wahnsinnige Mittel auf.

Russische Propagandisten haben vielen den Glauben aufgezwungen, dass es bei der Mobilmachung nicht um den Schutz des eigenen Staates vor einem Aggressor geht, sondern um Ungerechtigkeit und Verletzung der Rechte."

Mit den Militärangehörigen, die gefürchtet sind und beleidigt werden, meint Pawljuk vor allem diejenigen, die als Bedienstete der Wehrämter losziehen, um in den Straßen des Landes neues Kanonenfutter zu jagen:

"Heute besteht die Mehrheit der Mitarbeiter der Territorialen Zentren für Anwerbung und soziale Unterstützung aus ehemaligen Kriegskämpfern, auf die alle stolz und über die alle voller Begeisterung waren. Warum versteckt man sich heute vor ihnen, warum erlaubt man sich ihnen gegenüber Disrespekt, warum haben Hetze und sogar Schlägereien Überhand gewonnen? Das ist unzulässig."

Dass die Leiter der Wehrämter die potenziellen Rekruten gegen Bestechung vom Dienst freistellen und somit nicht nur aus militärischer Sicht an einer möglichst großen Anzahl von Rekruten interessiert sind und dementsprechend ihre Mitarbeiter unter Druck setzen, alle Männer ohne Rücksicht auf deren Gesundheitszustand oder etwaige weitere widrigen Umstände einzuziehen, sei hier nur nebenbei bemerkt. Es drängen sich Zweifel auf, ob Selenskijs große Säuberung der Wehrämter im Vorjahr hiergegen wirklich Abhilfe geschafft hat oder hierbei nur die Figuren ausgetauscht wurden.

Pawljuk erklärt weiter:

"Militärangehörige und Veteranen sind keine Bettler, keine Agitatoren. Das sind Menschen, die ihre verfassungsmäßige Pflicht erfüllt haben. Wir haben kein Recht zuzulassen, dass sie sich vor denjenigen schuldig, unnütz und unsicher fühlen, deren Leben sie wortwörtlich retteten."

Zuvor hatte der Landstreitkräfte-Befehlshaber erklärt, das reichlich im Internet kursierende Videomaterial von der Menschenjagd der Wehramtsbediensteten auf ihre Mitbürger entbehre der Erklärung, wie es überhaupt dazu gekommen sei.

Weiter ergießt sich General Pawljuk in einer langatmigen Beteuerung, es werde niemand gleich nach Einzug sofort in die Gräben oder den Sturm geschickt. Vielmehr gehe dem eine einmonatige Grundausbildung nach NATO-Standards vorauf, gefolgt von einer spezialisierten Ausbildung.

Dem stehen Aussagen gefangener ukrainischer Soldaten gegenüber, die oft schildern, die Realität genau andersherum erlebt zu haben: Nach Einzug zum Kriegsdienst unter Rechtsverstoß, durch Gewalt oder Betrug, gefolgt oft nur von einer Grundausbildungwenn überhaupt – kam für sie sofort der Kampfeinsatz, nur zu häufig unter mangelnder Munitionierung, Verpflegung, Feuerunterstützung und Ersatzteilversorgung für ihre Kampffahrzeuge.

Nachdem Pawljuk potenziellen Freiwilligen als Zuckerbrot fast schon kleinlaut die Aussicht vorhält, bei Eignung einem Eliteverband des ukrainischen Militärs beizutreten, zückt er auch sehr schnell schon die Peitsche:

"Wir haben mitzuteilen, dass niemand das Ganze wird aussitzen können."

Nun, sehr viele Bürger der ehemaligen Ukrainischen SSR haben es anscheinend auch ohne diese sehr klare Andeutung schon begriffen. Wohl nicht umsonst wurde zum Beispiel das linke Ufer der Theiß, die das Land von Rumänien trennt, mit einem stacheldrahtbespannten Zaun umfriedet.

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